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Programm am Freitag, 28. Oktober 2022

16:00 Uhr

Anreise und Anmeldung

Anreise am Tagungsort: Bildungshaus St. Bernhard, An der Ludwigsfeste 50, 76437 Rastatt

16:30 Uhr

Begrüßung und Einführung zum Programm

Guillaume d`Andlau, Direktor CERD-Natzweiler

Dr. Marco Brenneisen, VGKN-Vorsitzender

17:00-19:00 Uhr

„Wir waren 52.000“/"Nous étions 52 000"

Vorstellung der digitalen Natzweiler Häftlingsdatenbank. Einführung und Umgang, sowie Nutzungsmöglichkeiten mit anschließenden Fallbeispielen aus der Praxis.

Die Datenbank des KL Natzweiler ist das Ergebnis eines langen Weges. Sie entstand Anfang der 1990er Jahre im Rahmen einer Doktorarbeit über das KL Natzweiler und durchlief mehrere Etappen bis zur Präsentation des aktuellen Ergebnisses. Auf eine erste Version, die als Antwort auf einen Studienprozess entstand, folgte eine zweite, die mehr auf eine breitere Nutzung ausgerichtet war. Die dritte Version ist mit den Anforderungen der derzeit im Internet verfügbaren Datenbank verbunden. Eine vierte Version ist in Arbeit, die noch offener ist und auf eine Erweiterung des Forschungsrahmens reagiert. Die aktuellen und zukünftigen Ergebnisse sind das Ergebnis einer deutsch-französischen wissenschaftlichen und freundschaftlichen Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Robert Steegmann Robert Steegmann ist Honorarprofessor für Geschichte am Lehrstuhl für Geschichte in Straßburg. Doktor in Geschichte. Vorsitzender des wissenschaftlichen Rates des Centre Européen du Résistant Déporté de Natzweiler-Struthof (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers in Natzweiler-Struthof).

André Heck, Datenbankentwicklung

Moderation: Anja König, VGKN

Die Architektur der Natzweiler-Datenbank wird maßgeblich von drei Charakteristika geprägt: Der Form der Listen, welche von den Tätern verwendet wurde, die unterschiedliche Vollständigkeit der Quellen aus den verschiedenen Außenlagern im Komplex und der Vielfältigkeit der Herangehensweisen der dezentral Forschenden. Unser System durchläuft, beeinflusst von den vorgenannten Charakteristika, drei Evolutionsstufen: Erstens eine relationale Datenbank, welche möglichst umfassend die bereits geleistete Forschungsarbeit sichern und verfügbar machen sollte (2018-2021), eine objektrelationale Datenbank welche leistungsoptimiert auf die unterschiedlichen Quellenlagen zugeschnitten ist (2022; wird beim Workshop vorgestellt) und eine Graphdatenbank, welche helfen soll, die zahlreichen Transporte im Komplex stärker in den Fokus zu rücken und die es möglich machen soll, die Praxeologie des Forschens im KZ-Komplex selbst zu untersuchen (Zukunft). Hauptteil des Vortrags werden wird die neue, "mittlere" Evolutionsstufe des Systems sein, welches zum Beispiel die Darstellung von Geodaten erlaubt.

André Heck André Heck studierte englische Linguistik und Geschichte an den Universitäten Trier und Münster und schloss mit dem Master of Arts ab. Unmittelbar nach dem Studium beschäftige er sich für zwei Jahre als Projektmanager im Bereich Lagerhaus-IT, bevor er als Softwareentwickler an die Bayerische Akademie der Wissenschaften wechselte. Derzeit betreut er den Aufbau eines virtuellen Archivs der Schriften Harold Garfinkels an der Uni Siegen. Seit 2018 ist er für den Aufbau der Natzweiler-Datenbank verantwortlich.

19:00 Uhr

Gemeinsames Abendessen

Anker 1

Programm am Samstag, 29. Oktober 2022

07:00-09:00 Uhr

Frühstücksbuffet

09:00-09:15 Uhr

Einführung zum Programm

Dr. Tobias Markowitsch, VGKN-Vorsitzender

09:15-10:45 Uhr

Vortrag und Diskussion
In der zweiten Reihe? Natzweiler im Personalsystem der SS, 1941-1945

Das KZ Natzweiler wurde im Frühjahr 1941 als Steinbruchlager eingerichtet, um die gigantomanischen NS-Bauvorhaben mit Granit versorgen zu können. Zur Baustoffgewinnung setzte die SS – wie bereits in den Steinbruchlagern Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen oder dem ebenfalls ab Mai 1941 eigenständigen Konzentrationslager Groß-Rosen – KZ-Häftlinge in mörderischer Zwangsarbeit ein. Der Kern des Führungspersonals in Natzweiler hatte zuvor in diesen Lagern Schlüsselpositionen besetzt. In der zweiten Kriegshälfte prägten zunehmend eine forcierte Ökonomisierung wie Stabilisierung das KZ-System. Im Rahmen dieser Rationalisierung fand auch im KZ Natzweiler eine personelle Zäsur statt. Sogenannte Standort- bzw. Stützpunktleiter besetzten in Personalunion die Leitung mehrerer Außenlager und die Führung der dazugehörigen Wachkompanien. Ab September 1944 bestand das KZ Natzweiler als dezentrales Außenlagernetz ohne Hauptlager mit wechselnden Standorten der Kommandantur. Der Fortbestand des Lagerkomplexes war, auch oder gerade im Hinblick auf die Verlagerungsvorhaben der Rüstungsproduktion westlich des Rheins, eine notwendige Voraussetzung für die kontinuierliche Lenkung der Zwangsarbeit in den Außenlagern. Der Personalaustausch im Februar 1945 kann somit als Indiz und letzter Versuch für eine Intensivierung des Arbeitseinsatzes gelesen werden. Darüber hinaus erreichte die Rationalisierung des massenhaften Tötens und der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden mit dem „Ungarn-Programm“ in Auschwitz 1944 einen letzten grausamen Höhepunkt. Im Zuge dieser Mordaktion fand ebenfalls ein reger Personalwechsel zwischen Auschwitz und Natzweiler statt. Der Vortrag beleuchtet das Personalsystem im Lagerkomplex Natzweiler sowohl unter Berücksichtigung der genannten Phasen und Zäsuren als auch mit Blick auf die strukturellen und organisatorischen Veränderungen, die forcierte Zwangsarbeit sowie den Massenmord durch gezielte Tötungen und Unterlassung von 1941 bis 1945. Die Untersuchung des Personals wird in stärkerem Maße die beteiligten Handlungsträger aus den Reihen der SS-Unterführer- und Mannschaftsdienstgrade einbeziehen. Über die Dechiffrierung von Netzwerken lassen sich überdies SS-Karrierewege im Spiegel von Beförderung und Degradierung über die gängigen Deutungsmuster von Schulung und Bewährung hinaus erklären. Der Vortrag wird das Personal des KZ Natzweiler in seiner heterogenen Bandbreite von sogenannten Reichsdeutschen, „volksdeutschen SS-Freiwilligen“, „fremdvölkischen Hilfswilligen“ und Wehrmachtsoldaten behandeln.

Dr. Stefan Hördler, Universität Göttingen / University of Huddersfield Stefan Hördler ist Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen sowie Visiting Professor an der School of Arts & Humanities der University of Huddersfield. Zuvor leitete er die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Washington und am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Er wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. Seine Studie „Ordnung und Inferno. Das KZ-System im letzten Kriegsjahr“ gewann den Tiburtius-Preis. Zu den jüngsten Veröffentlichungen zählt u.a. die Monografie mit Tal Bruttmann und Christoph Kreutzmüller „Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz“ (WBG: Darmstadt 2019, Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn 2020). Stefan Hördler ist Mitglied in internationalen Fachbeiräten und als Sachverständiger in diversen Verfahren wegen NS-Verbrechen tätig, darunter in den Auschwitz-Prozessen in Lüneburg (2015) und Detmold (2016), den Stutthof-Prozessen in Münster (2018), Hamburg (2020) und Itzehoe (2021-) sowie im Sachsenhausen-Prozess in Brandenburg (2022). Derzeit arbeitet er an einer transkontinentalen Wirtschafts- und Sozialgeschichte zur Krise der Stahlindustrie in der Bundesrepublik und den USA seit den 1970er Jahren.

10:45-11:00 Uhr

Pause

11:15-12:45 Uhr

​Vortrag und Diskussion:
Die Medizinische Fakultät der
Reichsuniversität Straßburg und das
Konzentrationslager Natzweiler:
verflochtene Geschichte(n).

Vorstellung der Arbeitsergebnisse der
unabhängigen historischen Kommission zur
Erforschung der Geschichte der
Medizinischen Fakultät der Reichsuniversität
Straßburg.


Einführung: Frédérique Neau-Dufour, ehem. Direktorin CERD-Natzweiler
Referenten der Université de Strasbourg: Loïc Lutz und Dr. Gabriele Moser

Loïc Lutz, Université de Strasbourg Loïc Lutz ist Doktorand in zeitgenössischer Geschichte an der Universität Straßburg und arbeitet zur SS des Konzentrationslagers Natzweiler. Nach seinem Master in Geschichte über zwei Brüder, die beide in den Stäben der Lager Dachau und Natzweiler Karriere machten, befasst er sich nun mit den acht SS-Ärzten und vier SS-Zahnärzten, die von 1941 bis 1945 im KL-Natzweiler stationiert waren.

Dr. Gabriele Moser Gabriele Moser ist Historikerin, mit den Arbeitsgebieten: Sozialgeschichte der Medizin und des Gesundheitswesens, Schwerpunkt NS-Medizin. Forschungsarbeiten und Publikationen zur Geschichte der Krebsforschung im 20. Jahrhundert, zur Entwicklung von Pestimpfstoffen am Robert-Koch-Institut im Zweiten Weltkrieg, sowie über Radiologie im Nationalsozialismus (mit online-Ausstellung). Bis 2021 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der unabhängigen internationalen Forscherkommission zur Geschichte der Medizinischen Fakultät der "Reichsuniversität Strassburg".

13:00 Uhr

Gemeinsames Mittagessen

15:10-16:10 Uhr

Vortrag und Diskussion:
Die juristische Aufarbeitung der Geschichte von Natzweiler:
Die Rastatter Prozesse

Spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden viele der Gräueltaten, die unter dem NS-Regime begangen worden waren, bekannt. Das – bis dato unbekannte – Ausmaß dieser Taten stellte die internationale Gemeinschaft und das noch junge Gebiet des Völkerstrafrechts vor eine große Herausforderung. Die Alliierten versuchten dieser Herausforderung zu begegnen, indem sie mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 eine Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung dieser Verbrechen in Deutschland schufen. Die französische Militärregierung richtete für ihre Besatzungszone ein Oberstes Gericht in Rastatt ein, wobei die Ahndung von Verbrechen in Lagern einen besonderen Schwerpunkt der Tätigkeit des Gerichts darstellte. Das KZ Natzweiler nahm hierbei als einziges Konzentrationslager auf französischem Boden eine herausragende Stellung ein. Da sich die große Mehrheit seiner Außenlager auf deutschem Boden befunden hatte, fiel die Strafverfolgung dort begangener Verbrechen in die Zuständigkeit der französischen Besatzungsjustiz. Der Vortrag beleuchtet die Anfänge und Grundlagen dieser Strafverfolgung und untersucht die Rolle des Obersten Gerichts in Rastatt bei der juristischen Ahndung der NS-Verbrechen. Dabei wird vor allem der Frage nachgegangen, welche Taten in Rastatt verhandelt wurden und welchen rechtlichen Problematiken die Richter dabei begegneten.

Marlene Kottmann, Universität Freiburg Marlene Kottmann studierte von 2011 bis 2017 Rechtswissenschaft mit einem Schwerpunkt im Internationalen Recht in Freiburg und Santiago de Chile. Im Anschluss daran war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Uni Freiburg bei Prof. Dr. Frank L. Schäfer, LL.M. (Cambridge) tätig. Ab 2018 promovierte sie dort mit der Förderung der Stiftung der Deutschen Wirtschaft über die „Rastatter Prozesse“. In diesem Rahmen absolvierte sie zwei Forschungsaufenthalte in Paris, um den Aktenbestand zu den Prozessen in den dortigen Archiven auszuwerten. Daneben forschte sie in zahlreichen deutschen Archiven, u. a. im Bundesarchiv sowie im Kreisarchiv Rastatt. Seit Oktober 2021 absolviert Marlene Kottmann ihr Rechtsreferendariat mit Stationen u. a. am Amtsgericht, bei der Staatsanwaltschaft und einer Anwaltskanzlei in Karlsruhe.

17:00-18:30 Uhr

Führung durch die Räumlichkeiten der Rastatter Prozesse

19:00 Uhr

Gemeinsames Abendessen

Programm am Sonntag, 30. Oktober 2022

07:00-09:00 Uhr

Frühstücksbuffet

08:00-09:00 Uhr

Hotel Check-Out

09:00-09:10 Uhr

Einführung zum Programm

Thomas Altmeyer, Leiter Geschichtsort
Adlerwerke und des Studienkreis Deutscher
Widerstand 1933-1945, Frankfurt

09:10-10:40 Uhr

Vortrag und Diskussion
"Mit Jugendlichen vor Ort arbeiten": Vorstellung der Ergebnisse des Kooperationsprojekt VGKN/Studienkreis

Im Kooperationsprojekt des VGKN mit dem „Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933 - 1945 e.V.“ wurde ein pädagogisches Konzept für mehrtägige Arbeitsgemeinschaften mit Schüler*innen bzw. Jugendlichen zur Geschichte und Erinnerungsgeschichte des KZ-Komplex Natzweiler mit seinen Außenlagern erarbeitet. In den schulischen, aber auch außerschulischen Arbeitsgemeinschaften sollen Jugendliche Wissen über das nationalsozialistische System der Konzentrationslager im Allgemeinen und den KZ-Komplex Natzweiler mit seinen über 50 Außenlagern im Besonderen vertiefen. Außerdem geht es um die Vermittlung der Geschichte von Erinnerung und Verdrängung nach 1945 und nicht zuletzt auch um die eigene Auseinandersetzung mit Gedenken und Erinnern. Jugendliche erfahren im Rahmen dieser Arbeit auch über die Bedeutung von zivilgesellschaftlichem Engagement für die Gründung und den Betrieb von Gedenkstätten im persönlichen Wohnumfeld und die Möglichkeit sich selbst aktiv an der Erinnerungsarbeit zu beteiligen.

Angelina Schaefer und Christopher Gomer, Studienkreis Deutscher
Widerstand 1933-1945, Frankfurt

Angelina Schaefer Angelina Schaefer hat Staats- und Politikwissenschaft in Passau, Wien und Frankfurt am Main studiert. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind kritische Gesellschaftstheorie und Stadtforschung, Geschichts- und Erinnerungskultur sowie historisch-politische Bildungsarbeit und partizipative Prozesse. Derzeit absolviert sie ein Volontariat im Historischen Museum Frankfurt im Bereich Vermittlung und Partizipation.

Christopher Gomer Christopher Gomer studiert am Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Politische Theorie (M.A.), wo er ebenfalls seinen B.A. in Politikwissenschaft und Geschichte absolvierte. Als studentische Hilfskraft war er beschäftigt am Fritz Bauer Institut und im Geisteswissenschaftlichen Bibliothekszentrum der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

10:40-11:00 Uhr

Abschluss

Dr. Marco Brenneisen, VGKN-Vorsitzender

12:00 Uhr

Gemeinsames Abschlussessen

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